Geschichte der ökumenischen Partnerschaft Köln - Liverpool

Das muss man sich mal vorstellen: Im Jahr 1948 – während alle Städte noch in Trümmer lagen - schickte die katholische Kirche ihren jungen Priester Monsignor Derek Worlock nach Köln mit dem Auftrag, Möglichkeiten der zukünftigen Versöhnungsarbeit zu erkunden.

50 Jahre nach Kriegsende nahm Dr. Hans-Georg Link, der Ökumenepfarrer des Evangelischen Stadtkirchenverbandes Köln, an Gedenkfeierlichkeiten in Liverpool teil und brachte den Wunsch von Erzbischof Derek Worlock mit, noch einmal nach Köln zu kommen; er wollte dies zusammen mit seinem anglikanischen Bischofskollegen David Sheppard tun. Die ökumenischen Kontakte auf der Spitzenebene waren in Köln noch nicht reif für diese Einladung, bevor Bischof Worlock starb.

Am Remembrance Day (~Volkstrauertag) predigten in der Liverpooler Kathedrale 1978 Dr. Martin Niemöller,  Dr. Eberhard Bethge und Pfr. Fritzhermann Keienburg/ Münster; die Kirche in Münster war von britischen Bomben zerstört worden.

Ein weiterer Anstoß für die Kirchenkontakte zwischen den Partnerstädten kam aus Liverpool, als im Jahr 1985 Reverend David Wills von der Gemeinde Mossley Hill nach einer Partnergemeinde suchte. Das Büro des Oberbürgermeisters gab die Anfrage an den Ev. Stadtkirchenverband und dieser an Pfarrer Martin Hüneke in der Kirchengemeinde Köln-Lindenthal weiter; Pfarrer Hüneke hatte jahrelang in England gearbeitet.

 Am 12. November 1985 gründete die Gemeinde Lindenthal einen Partnerschaftskreis mit sieben Studierenden und  England-Interessierten. Man bereitete den ersten Besuch vor; und im März 1986 reisten fünf Kölner in die Stadt am Mersey. Schon im Oktober kamen neun Gäste zum Gegenbesuch. Der Austausch ging weiter mit inoffiziellen Besuchen (1987), einer Delegation in Liverpool (4 Personen Juli 1988) und weiteren sieben Gästen in Köln (Herbst 1988). Dabei zeigte sich, dass viele Probleme typisch für moderne Großstädte sind, wenn auch im Detail hier und dort verschieden.

Ende der 80-er Jahre entstand eine soziologische Erhebung der anglikanischen Kirche Englands über die Situation in den Städten um heraus zu finden, welche Rolle den Kirchen in dien Brennpunkt-Gegenden zufiel. Veröffentlicht unter dem Titel „Faith in the City“ war es praktisch ein ‚Armutsbericht’. Als Folge wurde ein Fonds zur Bekämpfung von Armut aufgelegt mit einer Besonderheit: Dieser „urban priority fond“ fördert nur Projekte, die in ökumenischer Gemeinschaft durchgeführt werden. Diese Förderbedingung begünstigte die Gründung der Organisation MARCEA, Merseyside and Region Churches Ecumenical Assemby,  in Liverpool-Stadt und Umland. Die geförderten Projekte zielen auch auf die Verbesserung des interkulturellen Zusammenlebens und den Abbau von Diskriminierung. Damit reagierten die Kirchen auch auf zwei Wellen von Aufständen in speziellen Liverpooler Stadtteilen, die die Stadt schwer erschütterten hatten.

Der damalige anglikanische Bischof von Liverpool, David Sheppard, war einer der geistigen Väter von „Faith in the City“. Als ausgewiesener Kenner von sozialen und ökumenischen Problemen unterstützte den Austausch mit der Kölner Seite zu diesen Fragen.  Die Teilnehmenden der Studienreise 1990 wollten das anglikanische Erhebungskonzept von „Faith in the City“ kennen lernen.

An einer weiteren Reise – durchgeführt von der Gemeinde Lindenthal und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Köln/ACK - nach Liverpool, Birmingham und Coventry nahm erstmals mit dem Ehepaar Günther die ostdeutsche Partnergemeinde Wilhelmshorst teil; diese beiden Gäste waren tief beeindruckt von der englischen Anteilnahme am Wiedervereinigungsprozess.

Die größte Besuchsgruppe kam im Juni 1992 nach Köln; 32 Gäste wurden durch ein umfangreiches Pogramm geführt; dazu gehörten der Besuch des Leitungsorgans Verbandsvertretung und Gebete für Roma-Flüchtlinge in der Antoniter-Kirche. In dieser Zeit erhoffte eine größere Gruppe von Roma, dauerhafte Bleibe in Köln zu finden.

Diesen Kontakten zwischen Pfarrerinnen, Pfarrern und Presbyteriumsmitgliedern entwickelte das Sozialwerk weiter zu einer berufsspezifischen Fortbildungsreihe, bei der sich Beschäftigte in der Gemeinwesen- und Sozialarbeit wechselseitig über ihre Arbeit mit benachteiligten Zielgruppen informierten. Zwei Gruppen fuhren nach Liverpool (1993 und 96); eine kam zum Gegenbesuch (1994). Dann stockte der Prozess wegen erheblicher personeller und finanzieller Umstrukturierung in der anglikanischen Diözese.

Neuen Auftrieb brachte die Initiative des Dean der anglikanischen Kathedrale, Bischof Rupert Hoare. Er stattete mit seiner deutschen Frau Gesine verschiedenen Einrichtungen des Stadtkirchenverbandes im November 1998 einen Besuch ab. Rupert Hoare ist hoch engagiert in der Ökumene und im interreligiösen Dialog; er ist Mitbegründer des „Rates der Religionen“ in Merseyside.

Aus Anlass der 50-jährigen Städtepartnerschaft zwischen Köln und Liverpool und den gleichzeitigen Feiern zu „200 Jahre evangelisches Köln“ besuchten im Mai 2002 zwei Delegationen Köln (9 und 6 Gäste). Schon im Juli boten die Liverpooler Gastgeber ein auf die Wünsche der  Kölner ACK-Gruppe (Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen) abgestimmtes Programm.

Für die Zukunft werden dauerhafte Strukturen für die ökumenische und interreligiöse Kooperation angestrebt. Eine Vorschlagsliste mit zehn Projektbereichen wurde im Juli 2002 zusammengestellt. Ganz neu darin ist die Schaffung von Zentren für Friedenserziehung; für die Kirchenruinen St. Luke/Liverpool gibt es bereits konkrete Pläne. In Köln könnte möglicherweise über ein Friedenszentrum in St. Alban nachgedacht werden.

Im Februar 2003 legte das Ökumenereferat des Ev. Stadtkirchenverbandes eine Dokumentation mit ausführlicher Darstellung des Besuch im Juli 2002 in Liverpool, Zusammenfassungen früherer Begegnungen von 1990 – 95 sowie Presseberichten vor.

Im September 2003 konstituierte sich in Köln ein Ökumenischer Partnerschaftsausschuss, dem der Ev. Stadtkirchenverband mit Ökumene-Referat, Melanchthon-Akademie und Sozialwerk, der Katholikenausschuss, das katholischen Stadtdekanat und das katholische Bildungswerk angehören. Dies geschah etwa parallel zur Initiative für einen Partnerschaftsverein Köln – Liverpool. Der Ausschuss soll die Kontakte zu den entsendenden Gremien sichern und verstetigen, die kirchlichen Beziehungen zwischen Köln und Liverpool fördern. 

Da die anglikanische Kathedrale Liverpool im Jahr 2004 ihren 100.Geburtstag feiert, ist dies Anlass für den weiteren ökumenischen Austausch.

Zusammengestellt im April 2004 von

Dean Peter Cookson, Pfarrer Martin Hüneke, i. R., Pfarrer Marten Marquardt, Hannelore Morgenstern-Przygoda

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